Zu Gast im Atelier. Gespräch mit Andrea Bischof.
As an atelier guest. Conversation with Andrea Bischof.
Claudia Schmied
Andrea Bischof und ich haben uns im Rahmen von Sammlungsankäufen einer österreichischen Bankengruppe kennen gelernt. Aus der beruflichen Zusammenarbeit hat sich noch vor meiner Zeit als Kunstministerin eine Freundschaft entwickelt. Immer wieder tauschen wir uns zu Kunst, Kultur und Politik aus.
Andrea Bischof and I got to know each other in the context of collection acquisitions by an Austrian banking group. Even before my time as Minister of the Arts, our professional collaboration developed into a friendship. Time and again we exchange ideas on art, culture and politics.
Die Künstlerin pflegt ein „offenes Atelier“. Kunstinteressierte sind eingeladen, mit der Malerin in Kontakt zu kommen, ihre Bilder zu sehen und zu erwerben.
Die unterschiedlichsten Gruppierungen der Gesellschaft machen von dieser Einladung zum Atelierbesuch Gebrauch. So finden immer wieder auch Präsentationen von Bildern und Diskussionsveranstaltungen statt.
The artist maintains an "open atelier". People interested in art are invited to meet with the painter, to see and purchase her paintings. The most diverse groups in society make use of this invitation for an atelier visit. Thus, presentations of paintings and discussion events regularly take place.
Das folgende Gespräch basiert auf einer Begegnung mit Studierenden eines Hochschullehrganges zu Führung, Politik und Management im Herbst 2021. Im Mittelpunkt des Interesses steht der Schaffensprozess der Künstlerin.
Den Ort des Geschehens dominiert ein außergewöhnlich großes Bild von Andrea Bischof mit dem Titel „Il grande spettacolo in cielo“. Es ist in den nächsten Jahren in der „Gemäldegalerie Alte Meister“ in Dresden zu sehen.
The following conversation is based on an encounter with students in a university course on leadership, politics and management in the autumn of 2021. The focus of interest is the artist's creative process. The location of the event is dominated by an exceptionally large painting by Andrea Bischof entitled "Il grande spettacolo in cielo". It will be on display in the "Gemäldegalerie Alte Meister" in Dresden over the next few years.
Ausgehend vom Schaffensraum „Atelier“ und den Anforderungen, die die Künstlerin an ihre Arbeitsräume stellt, sprechen wir intensiv über den Schöpfungsprozess von Bildern. Ein kreativer Prozess, der schon mit dem Aufspannen der Leinwand beginnt. Auch werden die Besonderheiten von Auftragswerken diskutiert. Immer aber geht es um die Farben als die
Ausdrucksmittel der abstrakten Malerin. Andrea Bischof gibt uns Hinweise, wie wir unseren Vorgang des Sehens von Kunst verfeinern und einen Zugang zu ihren Bildern finden können. Fragen zum Berufsbild runden das Gespräch ebenso ab, wie die Erwartung der Künstlerin, die zeitgenössische Kunst als gesellschaftspolitische Notwendigkeit einzustufen.
Beginning with the creative space "atelier" and the requirements that the artist places on her work spaces, we talk intensively about the process of creating paintings, a creative process that begins with stretching the canvas. We also discuss the special characteristics of commissioned works. But it is always about the colours as the means of expression of the abstract painter. Andrea Bischof gives us hints on how we can refine our process of seeing art and find access to her paintings. Questions about the image of the profession round off the conversation, as does the artist's expectation of contemporary art as a sociopolitical necessity.
Claudia SCHMIED: Andrea, wir sind heute zu Gast in deinem Wiener Atelier am Brigittaplatz. Dein Atelier befindet sich gleich neben deiner Wohnung im ersten Stock eines Altbaus mit hohen Räumen und großen, nach Norden gerichteten Fenstern. Wir schauen in einen kleinen, begrünten Innenhof mit Birke. Ich nehme eine angenehme, offene, ruhige Atmosphäre wahr. Wir riechen die Ölfarben. Wir sehen Arbeiten von dir, einige fertig gemalt, ein ganz großes Bild, über das wir noch sprechen werden, dominiert das Atelier und ist gerade in Fertigstellung. Diese erste Wahrnehmung des Ortes führt mich zu meinen ersten Fragen: Welche Anforderungen stellst du an ein Atelier, das als Malerin dein Schaffensraum ist? Hast du auch andere Arbeitsräume? Arbeitest du auch außerhalb einer „geschützten“ Atelierumgebung?
Claudia SCHMIED: Andrea, today we are guests in your Vienna atelier in Brigittaplatz. Your atelier is right next to your flat on the first floor of an old building with high ceilings and large north-facing windows. We look into a small, landscaped inner courtyard with birch trees. I notice a pleasant, open, quiet atmosphere. We smell the oil paints. We see works by you some of which are finished. A very large painting, which we will talk about later, dominates the atelier and is in the process of completion. This initial perception of the place leads me to my first questions: What requirements do you place on an atelier, which as a painter is your creative space? Do you have other work spaces? Do you also work outside of a "protected" atelier environment?
Andrea BISCHOF: Mein Atelier steht allen Kunstinteressierten offen. Herzlich willkommen! Für mich und meine Arbeiten auf Leinwand ist es wichtig, einen passenden Raum zum künstlerischen Schaffen zu haben, eine geschützte Situation, in der ich unbeobachtet und ungestört experimentieren und gestalten kann. Entscheidend ist das Licht. Das Nordlicht ist mit seiner gleichbleibenden Temperatur ideal. Während des Tages verändert es sich kaum. Ich habe gleichmäßige Bedingungen. Auch Ruhe ist für meine
Konzentration essenziell. In der Stille kommen meine Visionen leichter ans Tageslicht. Um es zusammen zu fassen: Mein Atelier ist mein Schaffensraum. Licht und Ruhe brauche ich.
Andrea BISCHOF: My atelier is open to everybody interested in art. A warm welcome to you! For me and my works on canvas, it is important to have a suitable space for artistic creation, a protected situation in which I can experiment and create unobserved and undisturbed. The light is crucial. Northern light with its uniform temperature is ideal. It hardly changes during the day. I have consistent conditions. Quiet is also essential for my concentration. In the silence, my visions come to light more easily. To sum it up: My atelier is my creative space. I need light and silence.
Je größer und höher der Raum, umso größer kann auch das Format gewählt werden. Das Bild ist bereits im Malprozess an der Wand fixiert. Ich gehe immer wieder in Distanz zu ihm, betrachte es von weiter weg, gehe wieder darauf zu und male weiter. Es ist gut, ein Bild von verschiedenen Abständen aus zu sehen. So baue ich meine Bilder auf. Der Betrachter soll durch unterschiedliche Blickwinkel, durch Nähe und Distanz, immer wieder etwas Neues entdecken. Auch Bilder nebeneinander zu stellen ist wesentlich. Daraus ergeben sich neue Zusammenhänge und ein Weiterdenken über das einzelne Bild hinaus.
Ich habe, gemeinsam mit meinen Geschwistern, unser Elternhaus in Schwaz in Tirol behalten, wo ich ein Zimmer als Arbeitsraum nutze. Ein Traum von mir ist, dort ein Atelier genau nach meinen Vorstellungen zu bauen.
The larger and higher the room, the larger the possible format choice. The picture is already fixed to the wall in the painting process. I keep distancing myself from it, looking at it from further away, approaching it again and continue painting. It is good to see a picture from different distances. That's how I form my paintings. The viewer should always discover something new through different angles of view, through closeness and distance. It is also crucial to place pictures next to each other. This results in new relationships and further thinking beyond the individual picture. Together with my siblings, I have kept our parents' house in Schwaz in Tyrol, where I use a room as a workspace. One of my dreams is to build an atelier there exactly according to what I imagine.
Seit einigen Jahren bin ich mehrmals im Jahr in Venedig. Das ist für meine künstlerische Entwicklung wichtig. Am Lido habe ich ein Appartement mit einem hellen Atrium gemietet. In Venedig studiere ich immer wieder aufs Neue die historische venezianische Malerei, ihre Intensität und Komposition, ihre Tiefe, Strahl- und Farbkraft und setze diese Inspiration in Malerei um. Venedig hat neben den bekannten noch so viele ungeahnte und verborgene Schätze zu bieten. Außerdem ist es durch die Biennale di Venezia und die begleitenden Ausstellungen ein pulsierender Ort für zeitgenössische Kunst. In Italien habe ich zu einem „venezianischen“ Bildformat gefunden. Es hat die Größe 1,3 x 1,2 Meter. Eine intime Größe. Trotzdem eine schöne, ausgewogene Fläche.
For some years now, I have been in Venice several times a year. It is important for my artistic development. I rented a flat on the Lido with a bright atrium. In Venice I always study historical Venetian painting anew, its intensity and composition, its depth, radiance and strength of colour, and translate this inspiration into painting. Aside from the well-known ones, Venice has so many unexpected and hidden treasures to offer. In addition, through the Biennale di Venezia and its accompanying exhibitions it is also a vibrant place for contemporary art. In Italy, I found my way to a "Venetian" picture format. It is 1.3 x 1.2 metres. An intimate size. Nevertheless, a beautiful, balanced surface.
Für Wandarbeiten, also Aufträge, wo ich explizit Malerei für architektonisch vorhandene Flächen in privaten oder öffentlichen Räumen gestalte, verlasse ich meine Atelierräume. Das Schöne daran ist, dass ich die gesamte Situation, also auch Umgebung, Raum, Licht und Blickrichtung, in mein Werk einfließen lassen kann. Wandmalerei sehe ich als ganzheitliches Kunstwerk an. Als Kunstwerk, das den Raum in besonderer Weise würdigt.
I leave my atelier rooms for mural works, that is to say, commissions where I explicitly create paintings for architecturally existing surfaces in private or public spaces. The beauty of this is that I can incorporate into my work the entire setting, including the surroundings, space, light and line of sight. I see mural painting as a holistic work of art, as a work of art that honours the space in a special way.
SCHMIED: Bei der Wandmalerei geht es also nicht „nur“ um die Qualität des malerischen Werkes an sich, sondern auch um seine künstlerische Einbettung in eine vorgegebene Raumsituation. Wie können wir uns das vorstellen?
SCHMIED: So mural painting is not "only" about the quality of the painterly work itself but also about its artistic embedding in a given spatial situation. How can we imagine that?
BISCHOF: Ich schildere ein paar Beispiele. Mein größter und bislang spektakulärster Auftrag ist eine große Wandmalerei in einem Privathaus in Costa Rica, gebaut von dem New Yorker Architektenduo Barnes & Coy.
„Cielomar“ ist der Titel des Werkes und der Name des Hauses. Die Wandmalerei hat das Format 4 x 8 Meter. Das Haus befindet sich am Rand eines Urwaldes an der Westküste von Costa Rica auf der Peninsula Papagayos, mit Blick nach Westen auf den Pazifik. Der atemberaubende
Ausblick auf das Meer und die Stärke der Natur waren Inspiration und Herausforderung zugleich. Es war spannend herauszufinden, welche Farben und Formensprachen sich gut anfühlen, ich erspüren und entwickeln kann. Ich habe mich intensiv mit der Architektur und der Umgebung beschäftigt, viele Aussichten mit einbezogen und Lichtstimmungen beobachtet. Die Vögel, die dort jeden Tag vorbeikommen, sind in das Werk mit abstrakten Pinselstrichen förmlich hineingeflogen. Ein unvergessliches Abenteuer.
BISCHOF: I'll give you a few examples. My largest and most spectacular commission so far is a large mural in a private house in Costa Rica, built by the New York architect-duo Barnes & Coy. "Cielomar" is the title of the work and the name of the house. The mural measures 4 x 8 metres. The house faces west towards the Pacific Ocean and is located on the edge of a jungle on the west coast of Costa Rica on the Peninsula Papagayos. The breathtaking view of the ocean and the power of nature were both an inspiration and a challenge. It was exciting to figure out which colours and design vocabularies feel good, which I can sense and develop. I intensively engaged with the architecture and surroundings, incorporated many views and observed lighting moods. The birds that pass by there every day literally flew into the work with abstract brushstrokes: an unforgettable adventure.
Ein anderes wichtiges Werk dieser Kategorie ist „Das Himmelszelt“, ein von mir gestaltetes Arkadenfeld in Schwaz in Tirol. Die Arkade befindet sich neben der grandiosen gotischen Pfarrkirche Maria Himmelfahrt. In einem Ensemble aus der Neugotik — dem alten Friedhof, der jetzt der Stadtpark von Schwaz ist — beauftragt die Stadt schon seit mehreren Jahren zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler, ihre Positionen einzubringen.
Für mich besonders berührend war es, einen Sommer lang in meiner Heimatstadt zu arbeiten. Viele Erinnerungen an meine Jugend, besonders an meine Eltern, haben mich begleitet. Gewidmet ist die Arkade dem Widerstand gegen Gewalt.
Another important work in this category is "Das Himmelszelt", an arcade area that I designed in Schwaz in Tyrol. The arcade is located next to the grandiose Gothic parish church Maria Himmelfahrt. In a neo-Gothic ensemble - the old cemetery, which is now the city park of Schwaz - the city has been for several years commissioning contemporary artists to contribute their positions. For me, it was particularly touching to work a summer long in my hometown. Many memories of my youth accompanied me, especially of my parents. The arcade is dedicated to resistance against violence.
Das Café „Himmelblau“ am Kutschkermarkt im 18. Bezirk in Wien ist eines meiner Lieblingscafés. In diesem Kaffeehaus ein Deckengemälde zu machen war schon lange eine Idee von mir. Die Gelegenheit zur Realisierung hat sich während des Lockdowns im Jänner 2021 ergeben. Das Café war geschlossen. Zeit und Raum waren frei. So ist aus einer tristen Lage etwas Neues entstanden, „Die Wolke“.
The café "Himmelblau" on Kutschkermarkt in Vienna's 18th district is one of my favourite cafés. It had long been an idea of mine to do a ceiling painting in this café. The opportunity to realise it arose during the lockdown in January 2021. The café was closed. Time and space were free. So something new emerged from a dismal situation, “Die Wolke”.
SCHMIED: Du hast dich von Beginn an, gleich nach deinem Studium an der Universität Mozarteum in Salzburg, als abstrakte Malerin positioniert. Warum abstrakte Malerei? Wie können wir uns den Entstehungsprozess eines abstrakten Bildes auf Leinwand von Andrea Bischof vorstellen? Im Detail gefragt: Gibt es Skizzen? Welchen Einfluss hat das gewählte Format auf deine Arbeit? Wo beginnt der eigentliche Schaffensprozess und wie läuft er ab? Worauf lenkst du deine Aufmerksamkeit?
SCHMIED: You positioned yourself as an abstract painter right from the start, immediately after your studies at the Mozarteum University in Salzburg. Why abstract painting? How can we imagine the process of creating an abstract painting on canvas by Andrea Bischof? Asked in detail: Are there sketches? What influence does the chosen format have on your work? Where does the actual creative process begin and how does it proceed? On what do you focus your attention?
BISCHOF: Die abstrakte Malerei hat mich immer schon fasziniert. Die abstrakte Malerei ist einfach das Meine. Auch beim Betrachten von gegenständlicher Malerei spüre ich zuallererst den Farbklängen nach. Die Abstraktion trägt eine Freiheit in sich, die mich motiviert und glücklich macht. In jedem Bild sehe ich zu allererst die Farben. So bin ich zur abstrakten Malerei gekommen.
BISCHOF: Abstract painting has always fascinated me. Abstract painting is simply mine. Even when I look at representational painting, I first and foremost notice the colour tones. Abstraction carries a freedom that motivates me and makes me happy. In every painting I see the colours first and foremost. That's how I came to abstract painting.
Im Vorfeld zu meinen Arbeiten gibt es keine Skizzen, wohl aber Aufzeichnungen zu Farben. Farben, die ich gesehen habe und an die ich mich erinnern will. Diese Farberinnerungen geben auch Impulse für neue Bilder.
There are no sketches in the run-up to my works, but there are notes on colours. Colours that I have seen and that I want to remember. These colour memories also provide impulses for new paintings.
Das Aufspannen der Leinwand ist ein erster Akt meiner Kontaktaufnahme mit dem Format und dem Material. Ich mache das gerne selbst, da dadurch schon eine erste Verbindung mit dem zukünftigen Bild hergestellt wird. Es geht um Zuwendung und Aufmerksamkeit. Ich bekomme ein Gefühl für Maß und Fläche. Das Bildformat hat einen großen Einfluß auf meine Bildsprache.
Stretching the canvas is a first act of my contact with the format and the material. I like to do this myself, as it already establishes a first connection with the future painting. It is a matter of attention and care. I get a feeling for dimension and surface. The painting format has a great influence on my visual language.
Jedes Bild trägt für mich verschiedene Zeitdimensionen in sich. Es hat ein Stück aus der Vergangenheit, aus der Gegenwart und aus der Zukunft. Das betrifft auch den eigentlichen Schaffensprozess.
For me, every picture carries with it different dimensions of time. It has a piece from the past, from the present and from the future. This also applies to the actual creative process.
Die Vision, an der ich mich vor dem Beginn des Malens und während des Malens orientiere, ist mein zukünftiges Bild. Das Bild, das es noch nicht gibt, das im Entstehen ist, das ich selbst sehen will. Das Bild, das ich erfinde. Ich gelange an Orte, wo ich noch nie war. Die Gegenwart ist das Reagieren auf Farben und Formationen. Die Gegenwart ist das, was ich im Augenblick sehe, mein aktives Tun. Das Vergangene fließt durch die vielen Eindrücke, Erlebnisse, Erinnerungen — bewußt und unbewußt — in meinen Malprozess ein.
The vision that guides me before I start painting and while I am painting is my future painting. The painting that does not yet exist, which is in the making, which I want to see for myself. The painting that I invent. I get to places where I have never been. The present is the reacting to colours and formations. The present is what I see in the moment, my active doing. The past flows through the many impressions, experiences, memories - consciously and unconsciously - into my painting process.
SCHMIED: Im Atelier befindet sich zur Zeit eine Arbeit im „Mega-Format“ für die „Gemäldegalerie Alte Meister“, Dresden. Es beherrscht den Atelier-Raum nicht nur durch seine Größe (2,62 x 8,27 Meter), sondern auch mit der Leuchtkraft seiner Farben. Es ist dein bislang größtes Bild, wenn wir von der Wandmalerei „Cielomar“ absehen. Die Idee zu diesem Bild ist im Austausch mit Stephan Koja, dem Direktor der „Gemäldegalerie Alte Meister“, Dresden, entstanden. Das Bild wird in der Gemäldegalerie in Dresden ausgestellt. Hunderttausende Menschen werden es sehen. Das ist ein Meilenstein in deiner künstlerischen Karriere. Wie bist du an dieses Großprojekt herangegangen? Wie war das, als du im wahrsten Sinn des Wortes vor der großen leeren Leinwand gestanden bist?
SCHMIED: In the atelier there is currently a work in "mega format" for the "Gemäldegalerie Alte Meister" in Dresden. It dominates the atelier space not only with its size (2.62 x 8.27 metres) but also with the luminosity of its colours. It is, not counting the mural "Cielomar", your largest painting to date. The idea for this painting came about in an exchange with Stephan Koja, the director of the "Gemäldegalerie Alte Meister" in Dresden. The painting will be exhibited in the Gemäldegalerie in Dresden. Hundreds of thousands of people will see it. That is a milestone in your artistic career. How did you approach this major project? What was it like when you literally stood in front of the big empty canvas?
BISCHOF: Das Bild heißt „Il grande spettacolo in cielo“. Ja, es ist ein Meilenstein in meiner Karriere. Vor allem, dass ich es in der berühmten „Gemäldegalerie Alte Meister“ in Dresden ausstellen werde. Das Format berücksichtigt die großzügigen räumlichen Bedingungen vor Ort. Ich freue mich sehr, dass Stephan Koja, er leitet seit 2016 dieses Museum von Weltgeltung, meine Arbeit ermöglicht hat.
BISCHOF: The painting is called "Il grande spettacolo in cielo". Yes, it is a milestone in my career. Above all, that I will exhibit it in the famous "Gemäldegalerie Alte Meister" in Dresden. The format takes into account the generous spatial conditions on site. I am very happy that Stephan Koja, who has been director of this world-class museum since 2016, has made my work possible.
Inspirationsquellen für dieses große Bild im Querformat sind meine Arbeiten der letzten Jahre. Jedes Bild der jüngeren Vergangenheit kreist in Farbigkeit, Aufbau und Intension im wahrsten Sinn des Wortes um „Himmlisches“. Der Zusammenhang mit der venezianischen Malerei ist, denke ich, spürbar. Besonders der Einfluss der Werke von Paolo Veronese, Jacopo Tintoretto,
Tizian, Rosalba Carriera und Giovanni Battista Tiepolo. Was mich bei dieser Meisterin und diesen Meistern der Malkunst schon als junge Frau berührt hat, ist das warme Licht der Farben, das aus ihren Gemälden leuchtet. Das Himmlische in der Malerei alter Meister fasziniert mich. Das Luftige, das Leichte, die Leidenschaft der Farbigkeit, die Begeisterung für Schönheit.
The sources of inspiration for this large painting in landscape format are my works of recent years. Each painting of the recent past, in terms of colour, composition and intension, revolves in the truest sense of the word around „ethereal". The connection with Venetian painting is, I think, palpable. Especially the influence of the works by Paolo Veronese, Jacopo Tintoretto, Titian, Rosalba Carriera and Giovanni Battista Tiepolo. Even as a young woman, what touched me about these masters of the art of painting, is the warm light of the colours that shines from their paintings. The ethereal quality of the paintings of the old masters fascinates me. The airiness, the lightness, the passion of the colour, the enthusiasm for beauty.
Ein besonderer Entdeckungsmoment für mich waren die Wolken im venezianischen Himmel von Paolo Veronese. Er hat sie streifenförmig in seine Bilder gesetzt. Hervorzuheben ist auch, wie selbstbewusst sich die Gemälde der Künstler dieser Epoche in monumentaler Architektur behaupten. Auch in der „Gemäldegalerie Alte Meister“ in Dresden befinden sich berühmte Arbeiten meiner absoluten Lieblingskünstler. Als zeitgenössische Künstlerin ist es für mich eine besondere Herausforderung, meine Arbeit in ihrer unmittelbaren Nähe zu präsentieren.
A special moment of discovery for me were the clouds in Paolo Veronese's Venetian sky. He placed them in stripe shaped forms in his paintings. It is also worth emphasising how self-confidently the paintings of the artists of this era assert themselves in monumental architecture. The "Gemäldegalerie Alte Meister" in Dresden also contains famous works by my absolute favourite artists. As a contemporary artist, it is a special challenge for me to present my work in their immediate proximity.
Aber kommen wir zum Malprozess von „Il grande spettacolo in cielo“. Die große Leinwand im Wiener Atelier aufzuspannen, das war schon einmal eine erste Herausforderung. Hinter der Leinwand sind vier große Keilrahmen aneinander geschraubt. Darauf wurde die Leinwand in einem Stück gespannt. Die Grundierung der, noch auf dem Boden liegenden, aufgespannten Leinwand erfolgte mit großen Rollen. Dann erst wurde die Leinwand aufgestellt. Die ersten Farbschichten habe ich in einer zarten Farbigkeit gelegt, mit einem breiten Pinsel, in zügigen Strichen, einmal hierhin, einmal dorthin, um die ganze Bildfläche zu erspüren und quasi in Besitz zu nehmen. Beim Betrachten der ersten Farbflächen und Tupfer habe ich die Farb- und Formensprachen, die in diesem Großformat funktionieren, gesehen. Das Anlegen der weiteren Farbschichten erfolgte langsam. Das ist ein Prozess, der, zwischen vielem Beobachten und bildreichem
Weiterträumen, vom energievollen Angriff bis zum Setzen kleinster, feinster, vorsichtigster Punkte vor sich geht. Manchmal ist mein Malen mit einem Tanz vergleichbar. Einem Tanz, bei dem ich mich hingegeben treiben lasse, um dann wieder selbstbewußt Schritte zu setzen.
But let's get to the painting process of "Il grande spettacolo in cielo". The first challenge was to stretch the large canvas in the Vienna atelier. Behind the canvas, four large stretcher frames were screwed together. The canvas was stretched on them in one piece. The canvas, which was still lying on the floor, was primed with large rollers. Then the canvas was set upright. I laid down the first layers of paint in a delicate colour, with a broad brush in brisk strokes, once here, once there, in order so to speak, to have a sense of the whole painting surface and to take possession of it. Looking at the first colour fields and dabs, I saw the languages of colour and form that function in this large format. The application of the further colour layers took place slowly. This is a process that goes on between a lot of observation and image-rich dreaming, from an energetic attack to the application of the smallest, finest, most careful dots. Sometimes my painting can be compared to a dance. A dance in which I let myself drift with abandon, in order to then confidently take the next steps.
Interessant ist, dass ich beim Malen dieses Bildes besonders das Gefühl hatte, immer wieder radikal bei mir bleiben zu müssen. Bei aller
Wertschätzung meiner großen Vorbilder, bei allem Respekt vor der Fläche des Bildes und seines künftigen Präsentationsortes, war es mir wichtig, meine eigene Position, Kraft, Energie, Freude und Frische im Bild zu verwirklichen. Ein gewisser Selbstzweifel, oder sagen wir eine gewisse Selbstkritik, kann auch im künstlerischen Schaffen durchaus gesund sein, zum Gelingen eines Bildes braucht es persönlichen Mut und Zuversicht in das eigene Können.
It is interesting that when I was painting this picture I specifically had the feeling that I had to remain continually and radically with myself. With appreciation for my major role models, with respect for the surface of the painting and its future presentation site, it was important for me to realise my own position, strength, energy, joy and freshness in the painting. A certain self-doubt, or let's say a certain self-criticism, can also be quite healthy in artistic creation; for the success of a painting you need personal courage and confidence in your own ability.
SCHMIED: Die Arbeit für Dresden stufe ich im übertragenen Sinn als
„Auftragswerk“ ein. Du weißt schon jetzt, wo das Bild die nächsten Jahre sein wird. Was ist das Besondere an Auftragswerken? Worauf ist zu achten?
Welchen Einfluss nehmen die Auftraggeber auf deine künstlerische Tätigkeit?
SCHMIED: I classify the work for Dresden in a figurative sense as a "commissioned work". You already know where the painting will be for the next few years. What is special about commissioned works? What do you have to pay attention to? What influence do the clients have on your artistic work?
BISCHOF: Ein Auftragswerk zu realisieren ist schön und schwierig zugleich. Es ist gut zu wissen, wo eine Arbeit in Zukunft sein wird. Die Bedingungen von Auftragswerken sind damit vergleichbar mit den schon exemplarisch geschilderten Wandmalereien. Ich kann Atmosphäre, Licht, Farbigkeit und Stimmung des Ausstellungsortes in meine Arbeit mitnehmen. Gleichzeitig muss ich mich als Künstlerin aber wieder von diesen Bedingungen lösen. Es ist wichtig, dass ich, auch unabhängig von den Auftraggebern, meine Arbeiten vertreten kann. In dem Sinn sind meine Auftragswerke niemals fremdbestimmt. Wieder sind wir bei den mir so wichtigen Werten, nämlich Freiheit und Unabhängigkeit.
BISCHOF: Realising a commissioned work is beautiful and difficult at the same time. It is good to know where a work will be in the future. The conditions of commissioned works are thus comparable to the murals already described as examples. I can take the atmosphere, light, colour and mood of the exhibition site into my work. At the same time, as an artist, I have to detach myself from these conditions. It is important for me to be able to represent my work independently of the clients. In that sense, my commissioned works are never externally determined. Again, we are back to the values that are so important to me, namely freedom and independence.
SCHMIED: Dein Ausdrucksmittel sind die Farben. Die Ölfarben werden ausgehend von einer Grundierung, die auch Stellen auf der Leinwand frei lässt, in dünnen Schichten von dir aufgetragen. Wie entwickelst du deine Farb-Sprache? Wie schaffst du die Dynamik, die wir in jedem deiner Bilder deutlich wahrnehmen?
SCHMIED: Your means of expression are the colours. You apply the oil paints in thin layers, starting with a primer that also leaves areas on the canvas free. How do you develop your colour language? How do you create the dynamics that we clearly detect in each of your paintings?
BISCHOF: Die Farben meiner Bilder kommunizieren eigenständig miteinander. Es gibt keine Hierarchie. Es gibt kein Zentrum. Jede Fläche ist gleich wichtig. Auch ist meine Malerei offen gestaltet. Sie tendiert nach außen und ist über den Bildrand hinaus weiter denkbar. Aus dem Untergrund sind durch die verschiedenen Schichtungen Farben bis an die Oberfläche wirksam. Sie versorgen die Oberfläche der Farbpalette mit Tiefe, Spannung und Geheimnis.
BISCHOF: The colours in my paintings communicate with each other independently. There is no hierarchy. There is no centre. Every surface is equally important. My painting is also openly structured. It tends outwards and is imaginable beyond the edge of the picture. From the undercoat through the various colour layers, colours are operative up to the surface. They provide the surface of the colour palette with depth, tension and mystery.
SCHMIED: Du kannst nun schon auf eine lange Zeit als Malerin zurückblicken. Du hast bisher rund 900 Arbeiten in die Welt gebracht, wars in unzähligen Ausstellungen in Österreich und Europa vertreten, hast einen internationalen Sammlerkreis, der von deiner Heimatstadt Schwaz über deinen Lebensraum Wien bis nach Costa Rica reicht. Siehst du in deinen Arbeiten, rückblickend betrachtet, verschiedene Stilrichtungen? Gibt es Kunstwerke, zu denen du eine besondere emotionale Bindung entwickelt hast?
SCHMIED: You can now look back on a long time as a painter. So far, you have brought around 900 works into the world, you have been represented in countless exhibitions in Austria and Europe and you have an international circle of collectors that stretches from your hometown of Schwaz and your living space in Vienna to Costa Rica. Looking back, do you see different styles in your work? Are there works of art to which you have developed a special emotional bond?
BISCHOF: Ein Bild folgt dem anderen. Jedes Bild trägt eine neuen Bildidee in sich. Gemeinsame Charakteristika der Bilder begründen im Zeitablauf eine
Stilrichtung, einen Bild-Zyklus. Interaktionen der Farben und die Art des Pinselstriches machen die Lebendigkeit der Bilder aus. Jedes Bild ist spontan und unmittelbar und nimmt viele Einflüsse von außen in sich auf.
BISCHOF: One painting follows the other. Each painting carries a new pictorial idea. Over the course of time, common characteristics of the paintings establish a style, a painting-cycle. The interaction of the colours and the way the brush strokes are applied give the paintings their liveliness. Each painting is spontaneous and immediate and absorbs many outside influences.
Zu Beginn meiner künstlerischen Arbeit waren meine Bilder an der Oberfläche in einer Farbigkeit gehalten. Diesen ersten Zyklus nenne ich daher „Monochrom“. Die Untermalungen mit zahlreichen Farbtönen und die Verwendung von Ölfarben hat es immer schon in meiner Malerei gegeben.
At the beginning of my artistic work, my paintings were kept in one colour on the surface. I therefore call this first cycle "Monochrome". The undercoats with numerous colour tones and the use of oil paints have always existed in my painting.
Der nächste große Zyklus, der sich ab dem Jahr 1997 über mehrere Jahre entwickelt hat, heißt „Reflexions“. Hier öffnet sich die Malfläche für den Betrachter und lässt Einblicke in den Untergrund zu.
The next large cycle, which developed over several years from 1997, is called "Reflexions". Here the painting surface opens up to the viewer and allows glimpses into the undercoat.
In den Jahren 2005 bis 2016 folgten die sogenannten „Pulsations“. Die unteren Farbschichten pulsieren bis zur Oberfläche und vermitteln Lebendigkeit. Die Pinselstriche sind miteinander wie verwoben und verbinden auf eine neue Art die Farben des Untergrundes mit der darüber liegenden Farbfläche.
In the years 2005 to 2016, the so-called "Pulsations" followed. The lower colour layers pulsate up to the surface and convey vibrancy. The brushstrokes are interwoven with each other and connect the colours of the undercoat with the colour surface above in a new way.
In jüngster Zeit ist eine neue Serie entstanden, die „Rotations“. Der
Farbkörper bewegt sich in der Bildfläche. Es kommt mehr Luft und Leichtigkeit in meine Bilder. Auch wird die Farbe Blau dominanter. Blau ist eine Farbe, die eine interessante Räumlichkeit entwickelt. Sie scheint, je dunkler der Farbton wird, immer weiter an Räumlichkeit zu gewinnen. Es ist faszinierend, diese Farbe durch das Aufsetzen an die Oberfläche des Bildes ganz nach vorne zu holen.
Recently, a new series has emerged, the "Rotations". The pigment moves in the painting surface. There is more air and lightness in my paintings. The colour blue is also becoming more dominant. Blue is a colour that develops an interesting three-dimensionality. It seems to gain more and more three-dimensionality the darker the colour tone becomes. It is fascinating to bring this colour right to the front of the painting by putting it on the surface.
Ich habe zu jedem meiner Bilder eine emotionale Bindung. Manche mag ich, weil sie im Malprozess besonders fordernd waren, andere wieder, weil sie leicht von der Hand gegangen sind. Wie Geschenke sind auch sie besonders für mich.
I have an emotional attachment to each of my paintings. Some I like because they were particularly challenging in the painting process, others because they went off easily. Like gifts, they are also special to me.
SCHMIED: Abstrakte Malerei erschließt sich nicht sogleich für den
Betrachter. Ich weiß, dass Kunstschaffende ungern Anleitungen zur Betrachtung ihrer Werke geben. Trotzdem. Kannst du uns Hinweise geben, wie wir unseren Vorgang des Sehens entwickeln und verfeinern können? Ich meine den Vorgang der Wahrnehmung von Kunst im Allgemeinen und der abstrakten Kunst von Andrea Bischof im Besonderen.
SCHMIED: Abstract painting is not immediately accessible to the viewer.
I know that artists don't like to give instructions on how to view their works. Nevertheless, can you give us some hints on how to develop and refine our process of seeing? I mean the process of perceiving art in general and the abstract art of Andrea Bischof in particular.
BISCHOF: Beim Betrachten eines Kunstwerkes — eines Bildes, einer Fotographie, einer Skulptur — ist die Zeit, die wir uns nehmen, wichtig. Es geht um das Ergründen des Werkes. Ein Film, ein Musikstück gibt uns diesen Wahrnehmungszeitraum vor. Bei einem Bild definieren wir, wie lange wir uns darauf einlassen. Der erste Eindruck ist, wie so oft, ein entscheidender. Meist sagt uns unser Gefühl, ob wir das Bild mögen, ob es mit uns etwas zu tun hat, ob es uns berührt. Dann erst versuchen wir, das Bild gewissermaßen einzuordnen. Wir beginnen, uns mit dem Bild auseinanderzusetzen, es mit Bekanntem zu vergleichen, es zu bewerten. Das persönliche Gefühl bei der ersten Kontaktaufnahme mit dem Werk ist ungemein wichtig. Der zweite Blick ist natürlich auch interessant. Bietet uns das Bild neue Sichtweisen?
Hält es das Versprechen der ersten Gefühle? Und dann ist es wichtig, eine Malerei aus unterschiedlichen Blickwinkeln und Abständen zu betrachten. Ein lang andauernder, schweifender Blick lässt wiederum andere Phänomene sichtbar werden als ein kurzer, sich wiederholender Blick, den man immer wieder „riskiert“.
BISCHOF: When looking at a work of art - a painting, a photograph, a sculpture - the time we take is important. It's about fathoming the work. A film, a piece of music predefines for us this duration of perception. With a painting, we define how long we engage with it. The first impression is often a decisive one. In most cases our feelings tell us whether we like the painting, whether it has something to do with us, whether it touches us. Only then do we to an extent try to classify the painting. We begin to deal with the painting, to compare it with familiar things, to evaluate it. The personal feeling when first coming into contact with the work is immensely important. The second look is of course also interesting. Does the painting offer us new perceptions? Does it keep the promise of the first feelings? And then it is important to look at a painting from different angles of view and distances. A prolonged rambling gaze, in turn, allows other phenomena to become visible as opposed to a short, repetitive gaze that one "risks" again and again.
Bei meinen Bildern achte ich auch darauf, dass sie in unterschiedlichen
Lichtsituationen immer wieder Neues zeigen. Letztlich entwickelt sich die Ausdruckskraft meiner Bilder im Austausch mit den Menschen, die sie betrachten, ihren Sichtweisen, ihren Geschichten, ihren Vorlieben, ihren Charakteren und Erwartungen.
With my paintings I also make sure that they show something new in different light conditions. Ultimately, the expressiveness of my paintings develops in an exchange with the people who look at them: their points of view, their stories, their tastes, their characters and expectations.
SCHMIED: Als Künstlerin bist du, auch ökonomisch gesprochen, selbstständig tätig. Deine Einkünfte hängen vom Verkaufserfolg deiner Bilder ab. Vom „Kreativ-Prozess bis zur Buchhaltung“ musst du dich um alles eigenverantwortlich kümmern. Wie schaut denn nun ein typischer Arbeitstag von Andrea Bischof aus?
SCHMIED: As an artist you are, economically speaking, self-employed. Your income depends on the sales success of your paintings. From the “creative process to accounting”, you have to take care of everything on your own. What does a typical working day look like for Andrea Bischof?
BISCHOF: Schon der Morgen ist für mich eine kostbare Zeit. Da beginne ich zu malen. Wenn ich ausgeruht bin, noch keine Nachrichten oder E-Mails angeschaut habe, gehe ich am liebsten gleich in mein Atelier. Der Vormittag ist für mich somit die künstlerisch-kreative Phase des Tages. Am Nachmittag widme ich mich den administrativen Arbeiten. Auch vereinbare ich Besuchs- und Besprechungstermine gern in der zweiten Tageshälfte. Dabei geht es zum Beispiel um Publikationen und Website-Gestaltungen, das Vorbereiten von Ausstellungen, Korrespondenz und Pressearbeit. Auch freue ich mich über Besuche von Kunstexpertinnen und -experten, Kunstinteressierten und Freundinnen und Freunden. Der Kontakt nach außen ist für mich und meine Arbeit enorm wichtig. Der Kreis von Personen und Institutionen, die zum
Erfolg meiner Arbeit beitragen, ist groß. Am Abend gehe ich gern noch einmal ins Atelier, auch um mich mental auf den nächsten Morgen vorzubereiten. Manchmal grundiere ich eine Leinwand, sortiere die Pinsel, ordne die Farben oder schaue in aller Ruhe auf meine Bilder. Ich versuche mir vorzustellen, wie ich am nächsten Tag weiter malen möchte. Das gibt am darauffolgenden Morgen wieder einen ganz eigenen Zugang zum Malprozess.
BISCHOF: Already the morning is a valuable time for me. That's when I start painting. When I'm rested and haven't looked at the news or emails yet, I prefer to go straight to my atelier. So the morning is the artistic-creative phase of the day for me. In the afternoon I devote myself to administrative work. I also like to make appointments for visits and meetings in the second half of the day. This involves, for example, publications and website design, preparing exhibitions, correspondence and press work. I also welcome visits from art experts, people interested in art and friends. Contact with the outside world is enormously important for me and my work. The circle of people and institutions that contribute to the success of my work is large. In the evening I like to go back to the atelier, also to prepare myself mentally for the next morning. Sometimes I prime a canvas, sort the brushes, arrange the colours or take a quiet look at my paintings. I try to imagine how I want to continue painting the next day. The following morning, this again gives me a very individual approach to the painting process.
SCHMIED: Das Dasein als Künstlerin erfordert in hohem Maße das Management von Unsicherheit. Der Wunsch, diesem Beruf nachzugehen, muss also sehr ausgeprägt und von einem starken inneren Wollen, einer Berufung, begleitet sein. Wie bist du zu der Entscheidung gekommen, von und mit der Kunst zu leben? Was treibt dich an? Woher holst du dir Kraft und Energie?
SCHMIED: To a great extent, being an artist requires the management of uncertainty. So the desire to pursue this profession must be very strong and accompanied by a strong inner will, a calling. How did you come to the decision to live from and with art? What drives you? Where do you get your strength and energy?
BISCHOF: Ich hatte schon als Kind den Wunsch, Künstlerin zu werden. Zunächst wollte ich Zirkusakrobatin werden. Als wir in der Volksschule dann viel gesungen haben, fand ich den Beruf der Opernsängerin attraktiv. Letztlich aber haben die Farben mein Herz erobert. Der Traum, Malerin zu werden, wurde immer ausgeprägter und hat dann zum Studium am Mozarteum in Salzburg geführt. Heute gilt meine Aufmerksamkeit ungeteilt meiner Malerei. Die Energie dazu gewinne ich beim Betrachten guter Kunst, auch von Kunst aus vergangenen Jahrhunderten. Das schärft und erweitert meinen Blick. Das ist ein Repertoire, das ich laufend ausbaue. Die Natur ist als Kraft und Inspiration für mich ebenfalls unverzichtbar. Ich beobachte viel. Ich gehe gern. Beim Malen gebe ich Energie. Beim Malen bekomme ich Energie. Meine beiden Söhne, meine Familie in Tirol und mein Freundeskreis sind wichtige Beziehungspunkte. Sie stabilisieren mich und helfen mir über unsichere Zeiten.
BISCHOF: I already had the desire to become an artist as a child. At first I wanted to be a circus acrobat. Then, when we sang a lot in primary school, I found the profession of opera singer attractive. In the end, however, colours captured my heart. The dream of becoming a painter became more and more pronounced and then led to my studies at the Mozarteum in Salzburg. Today my undivided attention is devoted to my painting. I gain the energy for it by looking at good art, also art from past centuries. That sharpens and broadens my view. This is a repertoire that I am constantly expanding. Nature is also indispensable to me as a force and inspiration. I observe a lot. I like to go for walks. When I paint, I give energy. When I paint, I get energy. My two sons, my family in Tyrol and my circle of friends are important reference points. They stabilise me and help me through uncertain times.
SCHMIED: Begeben wir uns für einen Moment ins Land der Märchen und Träume. In unserer Jugend war die US-amerikanische Fernsehserie „Bezaubernde Jeannie“ mit Barbara Eden und Larry Hagman in den Hauptrollen populär. Mit allerlei Zaubertricks und magischen Kräften konnte Flaschengeist „Jeannie“ in Gestalt einer schönen blonden Frau alle Wünsche erfüllen. Welchen Wunsch von Andrea Bischof möge „Jeannie“ — Simsalabim! — Wirklichkeit werden lassen?
SCHMIED: Let's go to the land of fairytales and dreams for a moment. When we were young, the American television series "I Dream of Jeannie", starring Barbara Eden and Larry Hagman, was popular. With all kinds of magic tricks and magical powers, “genie in the bottle” Jeannie in the shape of a beautiful blonde woman could fulfil all wishes. Which of Andrea Bischof's wishes might "Jeannie" - Simsalabim! – make real?
BISCHOF: Bilder von Andrea Bischof mögen in den bedeutenden Museen für zeitgenössische Kunst vertreten sein und vielen Menschen Freude machen.
BISCHOF: Paintings by Andrea Bischof may be represented in the important museums of contemporary art and bring pleasure to many people.
SCHMIED: Eine politische Frage zum Schluss. Österreich bezeichnet sich gern, nicht zuletzt mit Blick auf den „Glanz seiner imperialen Vergangenheit“, als Kulturnation. Wir haben Kulturinstitutionen — Museen und Theater, Konzertsäle und Festivals — von Weltgeltung. Gleichzeitig gilt es, die gesellschaftliche Aufmerksamkeit auf die Kunstschaffenden unserer Zeit zu lenken. Welche Erwartungen hat die Künstlerin Andrea Bischof an Politik und Gesellschaft?
SCHMIED: Finally, a political question. Austria likes to call itself a cultural nation, not least in view of the "splendour of its imperial past". We have world- renowned cultural institutions, museums and theatres, concert halls and festivals. At the same time, it is important to draw society’s attention to the artists of our time. What expectations does the artist Andrea Bischof have of politics and society?
BISCHOF: Wir sind in Österreich im Bereich Kunst und Kultur in der Tat gut aufgestellt. Museen, Galerien, Theater, Konzerthäuser, … Auch haben wir viele erstklassige Initiativen, wie zum Beispiel Kunst im öffentlichen Raum, die Öffnung der Bundesmuseen für Kinder und Jugendliche, Kunst am Bau, die Artothek als öffentliche Sammlung von Kunst, die vielfältigen Kunstförderungen der öffentlichen Hand.
BISCHOF: We are indeed well positioned in Austria in the field of art and culture: museums, galleries, theatres, concert halls. We also have many first-class initiatives, such as art in public spaces, the opening of federal museums to children and young people, art in buildings, the Artothek as a public collection of art, the diverse art subsidies from the public sector.
Die Frage ist, wie geht es den Künstlerinnen und Künstlern in unserem Land? Gerade wir Kunstschaffenden brauchen Menschen, die Mut machen. Wir wollen entdeckt werden. Mentorinnen und Mentoren, Sammlerinnen und Sammler, „Fans“ im weitesten Sinn sind für unsere Karriere unverzichtbar.
Kreativität braucht einen langen Atem. Gerade in der Kunst ist Geld ein knappes Gut. Deshalb wird wohl auch so viel über Geld geredet. Deshalb ist Kunstförderung unverzichtbar. Betrachten wir zum Beispiel die bildende Kunst. Vom Malen eines Bildes bis zu seinem Verkaufserlös liegt oft eine sehr lange Zeitspanne. Auch ist die Einkommensschere innerhalb der Berufsgruppe gewaltig.
The question is, how are the artists in our country doing? We artists in particular need people who encourage us. We want to be discovered. Mentors, collectors, "fans" in the broadest sense, are indispensable for our careers. Creativity needs staying power. Especially in the arts, money is a scarce commodity. That's probably why there is so much talk about money. That's why the promotion of the arts is indispensable. Let's look at the visual arts for example. There is often a very long time span between the painting of a picture and its sales revenue. Also, the income gap within the profession is huge.
Besonderes Augenmerk ist seitens der Politik und der Gesellschaft auf die Künstlerinnen zu lenken. Es ist auffallend, dass Frauen ab einem Alter von etwa 35 Jahren im Kunstgeschehen stark unterrepräsentiert sind. Den meisten Künstlerinnen fehlt es an Raum, Zeit und Geld für ihr Kunstschaffen.
In terms of politics and society, special attention must be paid to women artists. It is striking that women over the age of about 35 are strongly underrepresented in the art scene. Most women artists lack space, time and money for their artistic work. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie wichtig geeignete Räume für das Kunstschaffen sind. Ich hatte fünf Jahre lang ein Bundesatelier in der Wattgasse in Wien zur Verfügung. Das hat meine Karriere befördert. Ganz wichtig war in dieser Zeit auch der Austausch mit den anderen Kunstschaffenden, waren wir doch 13 Künstlerinnen und Künstler in einem Haus. Künstlerische Anregungen, Synergieeffekte in vielen Belangen und ein quasi automatisch breiteres Publikum waren für uns gewinnbringend.
From my own experience, I know how important suitable spaces are for creating art. I had a government supported atelier in Wattgasse in Vienna at my disposal for five years. That advanced my career. The exchange with other artists was also very important during this time. We were 13 artists in one house. Artistic stimuli, synergy effects in many issues and a quasi- automatically broader audience were profitable for us.
Ich komme abschließend zum entscheidenden Punkt: Kunst braucht öffentliche Anerkennung. Es waren und sind die Künstlerinnen und Künstler, die die Seele einer Gesellschaft nähren, sichern, stabilisieren und bereichern. Wir Künstlerinnen und Künstler wollen als wichtiger Teil unserer Gesellschaft ernst genommen werden.
Finally, I come to the crucial point: art needs public recognition. It was and is the artists who nourish, secure, stabilise and enrich the soul of a society. We artists want to be taken seriously as an important part of our society.
SCHMIED: Vielen Dank für das Gespräch.
SCHMIED: Thank you very much for the discussion.